Biografische Skizze 2009

Am fünfzigsten Tag des vierten Quartals im Jahre 1961, an einem Sonntag zur Mittagsstunde geboren, verbrachte ich meine ersten sechs Lebensjahre im Glarnerland. Von der Berglandschaft zogen wir 1967 in die Stadt Zürich. In Wollishofen besuchte ich die Primarschule. Sieben Jahre später zügelten wir nach Winterthur.

Dort, auf dem Gymnasium, machte ich als Arbeiterkind zum ersten Mal Bekanntschaft mit Literatur und die Faszination, die ich damals ergriff, hat mich bis heute nicht verlassen. Ebenfalls sehr inspirierend war ein Austauschjahr in Los Angeles. Nach der Mittelschule liess ich mich zwar zum Primarlehrer ausbilden, untersuchte jedoch – was mir viel wichtiger schien – allerlei alternative Lebensformen, wobei ich schliesslich in ziemlich linksradikalen Kreisen angelangte. Die „Zürcher Bewegung“ und die „Winterthurer Ereignisse“ waren einschneidende Erlebnisse in meiner Jugend, wobei ich sowohl die Beschränkungen von Aktionismus als auch die harte Reaktion des Staates am eigenen Leib erfahren durfte.

Ernüchtert verliess ich Winterthur, um in Zürich Germanistik zu studieren. Obwohl ich Freude am Studium hatte, beschloss ich im Jahre 1987, meinem Herzen zu folgen: Ich zügelte am 1. Mai mit sieben Bananenschachteln im Zug nach Amsterdam. Dort hatte ich nämlich während einer Motorradreise meine Partnerin kennengelernt. Wir wohnten erst in einem besetzten Haus in der Altstadt, kauften aber bald schon ein Wohnboot, das ich eigenhändig renovierte. Ich verdiente mein Brot – wie schon in meiner Zürcher Zeit – mit Jobben und schrieb meinen ersten Roman „Aderlass“, der im Jahre 1992 beim Paranoia City Verlag in Zürich erschien.

Hernach kam ich, was das Schreiben betrifft, in eine unangenehme Situation: Während ich mich immer weiter in die holländische Gesellschaft integrierte, verlor ich einen Teil meines deutschen Sprachgefühls. Ich driftete zwischen Holländisch und Deutsch, ohne eine der beiden Sprachen zum Schreiben gebrauchen zu können. Erst später, nachdem ich das Holländisch zu beherrschen gelernt hatte, kehrte mein deutsches Sprachgefühl zurück.

Um „Brood op de plank“ zu kriegen, arbeitete ich als Zimmermann, Deutschlehrer und später als Heimleiter.

Ein wichtiges Ereignis war 1996 die Geburt meines Sohnes Sjoerd. Nebst einer unendlichen Liebe, die ich für ihn empfinde, liess mich seine Geburt auch erkennen, dass ich meinem Leben eine andere, minder flüchtige Struktur geben musste. Ich liess mich umschulen, ging in Therapie und trennte mich von meiner Partnerin. Und ich nahm das Schreiben wieder auf. In dieser Konstellation ist “Büsserschnee” entstanden.

Heute wohne ich zusammen mit meinem Sohn auf unserem selbsterbauten Wohnboot am Rande von Amsterdam. Ich arbeite als Manager in einer psychiatrischen Klinik und schreibe momentan an meinem dritten Roman, „Fall Sinestra“, einem „Sequel“ zu Glausers Wachtmeister-Studer-Romanen.

 

Martin Läubli, April 2009