Büsserschnee Reflektion

Rache ist nicht nur süss, Rache ist auch warm, heiss sogar, schreibt Twan. Die Morgensonne scheint inzwischen durchs Fenster.

Die Zufriedenheit geglückter Rache brennt angenehm warm im Magen. Wie der erste Schluck Jägertee nach einer Abfahrt im Schneesturm. Wie der erste Schluck Heisse Schokolade nach einer eiskalten Schlittschuhtour. Wärme zum Hühnerhaut kriegen.
Ich werde nie die entsetzten, von Wut verzerrten Gesichter der Bohnenstangen vergessen. Diese selbstgerechten Schweizer! Aus dem Wahn gerissen, dass sie sich alles leisten könnten.

Twan löst zwei verklemmte Typen in der Schreibmaschine. Staubflöckchen tanzen im Sonnenlicht.

Natürlich habe ich die Schiedsrichter Marti und Arbenz nicht verändert mit meiner Action. Parteiisch blieben sie. Unser Handballclub bekam das noch oft zu spüren. Aber doch schien mir, dass sie sich etwas mässigten. So schlimm wie gegen Wacker waren sie jedenfalls nie mehr.
Und natürlich ist es auch irgendwo kleingeistig, seinen Frust auf einem Auto auszuleben. Irgendwie schäbig.
Aber trotzdem: selbst hier oben, hier auf der Alp, schäme ich mich nicht. Marti und Arbenz waren selber schuld.
Einer musste die Rechnung begleichen.

Und das Gefühl danach war gut.

Nein, Rache ist nicht grundsätzlich falsch. Es gibt Leute, die sie schlichtweg verdienen. Ich begreife nicht, warum so wenige den Mut haben, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Dieser ewiger Mythos der zweiten Wange! Unsinn: es gibt Momente, wo du dich einfach wehren musst. Sich zu rächen ist doch nichts anderes als der Kampf um eine gerechte Welt in einem alltäglichen Kontext. Solchen Arschlöchern muss man in ihre Grenzen weisen. Da kann Rene noch so viel kritisieren, noch so viel angeben mit seinen „verantwortbaren Actions“. Meine Action gegen Marti und Arbenz war genauso viel wert, wie eine Protestaktion gegen einen grossen Umweltverschmutzer!

Twan stolpert zum Ofen hinüber, um Holz nachzulegen. Er trinkt ein Glas Wasser.

Nur: Wie rechtmässig war meine Rache? Wer gibt mir das Recht, mich zu rächen? In welchem Fall, mit welcher Begründung, welcher Berechtigung? Gibt es ein universales Prinzip zur Rechtfertigung von Rache?
Und: Ruft Rache nicht Gegenrache auf? Gegenrache wieder Gegengegenrache? Vendetta?
Und wer entscheidet über das Mass von Rache. Was geschieht, wenn die Rache eine eigene Dynamik entwickelt, wenn sie und ihre Folgen unbeherrschbar werden?
Und es bleibt die Frage: was gibt mir das moralische Recht zu entscheiden, dass ich mich rächen darf?

Zu viele Fragen!
Genoeg!
Ich bin stolz, dass ich mutig genug bin, um mich gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Ich bin stolz, mich nicht mitschleppen zu lassen vom Ideal der zweiten Wange. Auf meiner Nase wird nicht rumgetanzt! Und wenn ich mich nicht legal revanchieren kann, räch ich mich mit illegalen Mitteln.
Legitim ist es alleweil.