Büsserschnee Beginn

Is dit alles?
Ist das alles; ist dies wirklich alles?
Die Worte schallen durch Twans Kopf. Eine Rakete explodiert, weit unten über dem Tal. Ein roter Feuerball widerspiegelt sich fahl in grauen Wolken.
Ist dies nun wirklich alles?
Die paar Farbtupfer, die aus der Tiefe heraufleuchten, das Höhenfeuer auf der Bergkuppe jenseits des Haupttales – nur hie und da sichtbar hinter den
vorbeiziehenden Wolken – das träge Grollen einiger Böller unten im Tal?
Ist dies nun wirklich alles, was der Tausendjahrerutsch mit sich bringt?
Oder fallen jetzt überall die Lichter aus und die Flugzeuge vom Himmel, wie unsere allwissenden Experten vorhergesagt haben? Weil Computer sich im Jahr 1900 wähnen, statt im neuen Jahrhundert, im Jahr 2000?
Ach Unsinn! Twan schüttelt unwillig seinen Kopf. Alles een grote Mediahype! Dieser Milleniumbug. Nur Wasser auf die Mühle der Presse und des Fernsehens, Geld aufs Konto der Reklameheinis und weiter nichts als fette Beute an der Börse.
Die paar Feuerschatten am Horizont, das gedämpfte Poltern von Feuerwerk unten im Tal und das zwölffache Kuckuck der Uhr in der Hütte formen den Jahreswechsel von Twan van’ t Schip.
Eigentlich gibt es für ihn gar kein neues Jahr, keinen Jahrhundert-, ja Jahrtausendwechsel. Kein Millennium, wie das im Jargon der Zeit genannt wird. Es gibt für Twan keine Aussenwelt mehr, es gibt für ihn nur noch diese Alphütte und Schnee, Eis, Wind und Nacht.
Dennoch hat er die Tage gezählt bis zum Anfang des Millenniums.
Twan zieht seine Lederjacke um die Schultern. Er verlagert sein Gewicht zur Seite; der raue Arvenstamm ist hart. Nachdenklich starrt er in den Sternenhimmel, der sich pechschwarz über die eisige Bergwelt spannt, unbekümmert von diesem willkürlich ausgewählten Moment im ewigen Lauf der Welten. Die Sterne scheinen, funkeln kalt, klein und weit weg. Ein Lichtpünktchen verschiebt sich von Ost nach West – ein Satellit oder vielleicht ein Flugzeug, das nicht vom Himmel gefallen ist.
Unter den Sternen glitzert der Firn zart weisslich im verlorenen Licht der Nacht. Schatten und Licht verblassen zu einem vagen Schleier, in dem weit und fern, hoch und tief, steil und flach verschimmern. Graue Wolken ziehen aus dem Tal herauf, Schatten aus der Tiefe.
Is dit alles, is dit alles, wat er is? Das Fragment aus dem Lied der in Holland weltberühmten Skagruppe Doe Maar dreht sich in Twans Kopf, wieder und wieder. Ist das alles? Wirklich alles? Der Vers schwebt um ihn herum in dieser einsamen Nacht zweitausend Meter über dem Meeresspiegel.
„Nein, das kann nicht alles sein!“ Twans widersprechendes Murmeln verliert sich im Rauschen des Windes.
„Das darf nicht alles gewesen sein!“
Er klaubt ein Stück Rinde vom Baumstamm und zerbröselt es zwischen seinen Fingern. Schwarze Krümel auf die weisse Schneedecke.