Jaap schleppte den Feuerwehrschlauch zurück auf den Gang und rollte ihn auf die Haspel. Sie quietschte jedes Mal, wenn er mit dem Handgriff oben an kam, was sonderbar laut hallte im sonst leeren Gang. Die ganze Etage lag still und düster im schwächlichen Tageslicht. Nur wenige Badezimmer waren besetzt. Es roch nach Schmierseife und irgendwie auch nach Schnee. – Schnee im September, dachte Jaap, das gibt’s bei uns nicht! Aber der Tag war so trüb, da konnte man es sich fast vorstellen…
Dann plötzlich schallte ein Knall durch den Gang, danach ein Scheppern und das Klirren zerspringenden Glases. Eine Männerstimme worgelte: »Suumoore!« Und die Tür zu einem der Badezimmer flog auf. Hinausgestürzt kam Lisi. Sie flüchtete zur Terrassentür vorne im Gang. Ihr halb aufgerissener Zopf schlenkerte wild über ihre weisse Krankenschwesternuniform. Schwarze Flecken verunzierten das Weiss des Stoffes. In einem Augenwink erkannte Jaap: verschmierte Handabdrücke an der Vorderseite und am Gesäss.
Eine hutzlig schwarze Gestalt mit wirren grauen Haarsträhnen stürzte hinter Lisi aus dem Badezimmer, und verfolgte sie, die Arme nach vorne vor sich ausgestreckt, wie ein Zombie in einem billigen Horrorstreifen. Lisi brachte die Terassentür nicht auf. Mit aufgerissenen Augen und vor der Brust überkreuzten Armen erwartete sie die auf sie zustürzende Gestalt mit dem Rükken zur Tür.
Jaap reagierte im Impuls. Er schlug den Schieber der Feuerwehrspritze um und schoss der auf Lisi zuwankenden Gestalt einen kinderarmdicken Wasserstrahl hinterher. Der Strahl prallte auf wie ein Wasserfall auf einen Felsen. Nur, wo der Felsen den Aufschlag des Wasser stoisch ertragen hätte, wurde die Gestalt vom Strahl nach vorne geschleudert und nur wenige Schritte vor Lisi auf dem Boden geschmettert. Weisse, nackte Haut strahlte überall da auf, wo das Wasser den Körper traf. Jaap merkte, dass die Gestalt nackt war, und über und über mit Schlamm beschmiert. »Uufhöre!« Eine schwere Hand drückte Jaaps Spritze herunter. »Schluss jetzt!«
Jaap schlug den Wasserschieber zu. Ein stämmiger Pfleger lief, ohne weiter auf ihn zu achten, zu dem auf dem Boden liegenden Mann. Er hauerte sich ächend neben ihn und strich ihm das Haar aus dem Gesicht. Jetzt erst erkannte Jaap, wer es war: Kommissär Studer lag spindeldürr und nackt in einer schwarzbraunen Pfütze auf dem Gangboden. Jener Stammgast vom Kurhaus Val Sinestra, der ihn schon am ersten Tag angewäffelt hatte.
Durch die vorderste Tür schnellte Oberschwester Roda resolut aus ihrem Oberschwesterbureau auf den Gang. Ihr erster Blick fiel auf Lisi, die atemlos gegen die Tür lehnte, dann sah sie Studer mit dem kauernden Pfleger und Jaap dahinter.
Zerbrechlich wirkte Studer, so blutt und schlammbedeckt. Triefend nass bebte er am ganzen Körper. Doch der Blick, den er Jaap zuwarf, sprach von hassverzerrter Kraft.